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Das Papier ist tot.
Lang lebe das Papier!

02.April 2019

Worauf schreibst du deine Notizen auf? Auf Papier oder auf dem Smartphone, weil es immer dabei ist? Nie hätte ich gedacht, dass ich papierlos, rein digital arbeiten könnte. Inzwischen tue ich es doch.

Papier oder Pixel?

Wenn du mich fragst, ich würde als Erstes zum taktilen Material greifen, lieber mit echtem Notizbuch als mit einer App, lieber 10 Bilder analog Mittelformat fotografieren als 1500 digital.

Doch so unpersönlich hintergrundbeleuchtete Pixel auch sind, inzwischen habe ich mich schon daran gewohnt, alles mit einem Gerät zu machen. Man trägt weniger Gewicht und hat auch weniger Sachen.

Weniger Ballast

Vor 4 Jahren hat sich mein Leben grundlegend verändert. Weg vom Vollzeitjob, war ich wieder selbst verantwortlich für meine Zeit und für das was ich eigentlich machen will. Das Leben hat abgespeckt, dafür hatte ich auch kein regelmäßiges Einkommen mehr.

Eine leere Seite

Ich habe mein WG Zimmer in Wien aufgegeben, die paar Möbel und wertvollsten Sachen im Lager verstaut. Den Rest verkauft oder verschenkt.

Es war ein gutes Gefühl.  Mein Leben hat auf einmal in einen Rucksack gepasst. Unvergleichlich zu wissen, dass man überall hin kann und auch darf. Frei ist zu tun, was einem das Gespür sagt. Und wenn es heißt one-way nach Istanbul zu fliegen.

In der letzten Nacht in der 20-er WG, war mein Zimmer leer wie noch nie. Kahle Wände, eine Matratze und das Mondlicht dass den vorhanglosen Fensterrahmen auf den Boden zeichnet. Nie hätte ich gedacht dass es sich so gut anfühlen könnte, nichts zu haben.

Ich bin nicht zwangsweise Minimalisten geworden, viel eher ist es von selbst passiert. Keine Entscheidung fürs Leben, aber für jetzt. Und es fühlt sich gut an. Mein neuer Rucksack ist nämlich nur Carry-on size.

Illustration Zeitungsleser

Das unangreifbar Digitale

Somit war das Reisen mit der analogen Mittelformatkamera und einem Pack Filme kein Thema mehr. Es war nicht nur zu schwer, sondern auch zu teuer. Analoge Fotografie ist nichts für einen minimalistischen Lebensstil. Eine Digitale muss her.

Es war ein Versuch mir zu beweisen, dass es nicht um die Technik, sondern um den Mensch hinter (und vor) der Kamera geht.

Inzwischen gefällt mir diese Idee, dass diese vergänglichen Aufnahmen auf der Speicherkarte, wie in einem schwarzen Loch versteckt sind. Ohne Form, ohne Gewicht.

Zusammen mit der neuen Sony meinem Rucksack und einem iPad ging es dann bis in den Iran. Das iPad verwende ich zum Lesen, Bildbearbeiten, und um den Blog aktuell zu halten.

Mir gefällt mein neues, leichtes Leben.

Lesen ohne Buch

Und bis heute hat sich mein Bücherregal nicht wesentlich vergrößert. Ich lese gern und viel, doch die letzten 200 Exemplare passen größenmäßig in ein 80-seitiges Taschenbuch, aka iPad Mini.

Ein bisschen ungewohnt ist es schon, dass Information so unangreifbar daherkommt. Das man nicht einfach durchblättern kann. Doch ich merke wie ich mich langsam mehr und mehr dran gewöhne. Ein weiterer Vorteil: man hat die ganzen bunten Anmerkungen auf dem Computer und kann sie leicht durchsuchen.


Illustration Mauskript

Der Wert der Information

Welchen Wert wird Information in Buchform, DVD, ... für die kommende Generation haben, die mit der "formlosen" Darstellung am Bildschirm aufwächst?

Ein aufmerksam gestaltetes Buch, steht für sich allein. Gefühlvoll gesetzte Typografie und gut gedruckte Bilder sind eine Wonne. Doch was ist der tatsächliche, der praktische Wert? Ist es nicht das, was man mitnimmt, wenn das Buch wieder im Regal steht? Was man im Leben verwenden kann?

Hat Information eine Form?

Durch die Digitalisierung hat Information ihre greifbare Form verloren.

Und das betrifft nicht nur die Bücher. Sondern fast alle Branchen. Z.B.: die sauteuren Effektprozessoren in einem Tonstudio der 80-er Jahre, kann ich heute als Plugin in meine Audio Software einbinden. Ich kann auf einem handelsüblichen Rechner Videos schneiden, und farbkorrigieren was in analogen Zeiten selbst von professionellen Studios auf spezialisierte Firmen ausgelagert wurde.

Heute ist alles zugänglich. Ganze Büchereien, die gesamte Weltliteratur liegt uns zu Füßen zusammen mit dem Wissen der besten Experten, als Interviews, Videos, Making of's, Online Kurse ...

Was jetzt viel mehr gefragt ist, sind Menschen die Verbindungen zwischen den Disziplinen herstellen, und nutzen können.

Illustration Notizblätter Stein

Das Gewicht der Information.

Ich frage mich, ob in Zukunft der Wert und die Qualität und Tiefe von Information nicht viel mehr an Wert gewinnt, als die Form in der sie sich zeigt.

Was heute schwer vorstellbar erscheint, wer weiß wie das die Welt in 10 Jahren aussieht. Seit 12 Jahren gibt es das iPhone. Seit 2008 den AppStore. 10 Jahre später, 2018 zählen wir gut 2 Millionen(!) Apps. Virtuelle Oberflächen, die heute unser Leben bestimmen.

Content is king.

Im Internet verkauft sich Information nicht, weil sie in ein edles Cover verpackt oder auf schweres Hochglanzpaier gedruckt ist, sondern weil sie neugierig macht. Weil man sich einen Vorteil davon verspricht, oder weil man das Gefühl bekommt, etwas zu verpassen, wenn man es auslässt.

Eine logische Folge, war wohl der Trend zu Bash Headlines. Man verkauft: „10 Tips die jeder Portraitfotograf wissen muss.“ oder ein Artikel über „7 Design Fehler die jeder Anfänger macht.“ Gerade auf breitwirksamen sozialen Netzwerken hat dieses Stilmittel die letzten Jahre scheinbar ganz gut funktioniert. Eine kurzfristige Denkweise. Doch passend für die ersten Tage des Netzes.

Illustration Brillengläser

Jedem Trend sein Gegentrend.

Das seiner heutigen Form noch sehr jung ist, und sich ständig neu erfindet. Wer weiß was in 5 Jahren ist? Vielleicht wird Qualität wieder neu gewichtet, durch kuratierten Content, oder Peer-Reviews wie wir es ja schon von Buchungsportalen, Amazon oder the wirecutter kennen.

Slow Journalism lässt grüßen.

Wenn man sich Seiten wie blinkist.com ansieht, die das Wissen von Sachbüchern auf jeweils ein paar Sätze zusammenfasst, oder Online Kurse wie Masterclass die jahrzehnte lange Erfahrung von Industrieexperten ins Wohnzimmer bringt, dann ist das was man davon mitnimmt ja kein greifbares Objekt sondern eben das (hoffentlich praktisch anwendbare) Wissen.

Und mit gefällt daran vor allem die Idee dass sich darin so schön die Vergänglichkeit des Lebens wiederspiegelt. Alles was Geld kostet, kostet als erstes Zeit.

Besser die Zeit für etwas zu nutzen was einen im Herzen begeistert, als sich mit Sachen aufzuhalten die keinen bleibenden Wert haben, und nur Geld (= Lebenszeit) kosten.